Donnerstag, 15. November 2007

Augenblicke

Die Sehnsucht nagt in ihrer Brust. Sie muss versuchen sich zu konzentrieren, damit sie nicht wieder einen Fehler macht. Es ist außerdem auch unfair dem Mann gegenüber, nicht ganz bei ihm zu sein, wenn sie mit ihm tanzt, sie weiß es. Für einige Augenblicke gelingt es ihr auch, sich in die Bewegung des Anderen hinein zu finden. Doch dann kommt wieder der Refrain dieses Tangos und ihre ganzen Anstrengungen sind zunichte. Wieder schweifen ihre Gedanken in die Ferne und der Druck unterhalb des Herzens nimmt zu. Ein tiefer Seufzer entweicht ihr.
Ihr Tanzpartner drückt sie für einen Moment etwas fester an sich, er muss ihr Aufatmen falsch verstanden haben. Verlegen lächelt sie ihn an, als die Musik zu Ende ist und verspürt etwas Scham darüber, dass sie nicht ehrlich ist.
Sie sehnt sich nach diesem Gefühl, das sie alles um sich herum vergessen lässt und spürt, wie die Welle der Trauer wieder über sie einstürzen will.
Dieses Gefühl konnte sie haben in den wenigen Momenten in denen sie ...
Aber es ist sicher besser so, sie wäre ihm sonst vielleicht ganz verfallen.
Ihr Körper reagiert automatisch auf die Tanzbewegungen, sie ist nicht wirklich bei der Sache.
Ihr fällt der Spruch eines alten Meisters wieder ein, den ihr ihre Yoga Lehrerin unlängst vorgelesen hat : "Jeder Augenblick des Lebens ist eine Gelegenheit und die größte Gelegenheit besteht darin den Wert der Gelegenheit zu erkennen."
Sie hätte die Gelegenheit jetzt und hier mit dem Mann der sie gerade führt und dreht, ein paar schöne Momente zu erleben...
Sie fühlt dass sie etwas steif ist und sie kann sich auch nicht mit dem Duft, der von ihm ausströmt anfreunden. Er steht wie eine Mauer zwischen ihnen und hindert sie daran es doch zu schaffen, in seinen Kreis einzutauchen.
Jeder Augenblick ist eine Gelegenheit... wie viele Gelegenheiten hat sie schon verpasst, sie gar nicht wahr genommen oder war unfähig eine Entscheidung zu treffen!
Der Tango ist nun zu Ende, die Cortina erklingt und gibt ihr die Möglichkeit sich zu bedanken. Ein leichtes Bedauern zuckt in seinen Augen und vielleicht auch die Frage: "war ich nicht gut genug?"
Sie lächelt ihm noch ein mal zu, das Gesicht zu einer freundlichen Maske geformt.
Weit hinter ihren Augen aber ist ein tiefer dunkler See, voller Tränen...