Montag, 19. November 2007

Wiederkehr

Nun ist er schon das zweite Mal an ihr vorbei gegangen ohne sie zum Tanz aufzufordern. Wieso denn bloß? Sie haben doch beim letzten Mal so schön zusammen getanzt...
Sie hat voller Vorfreude und Ungeduld darauf gewartet, dass sie sich beim Tango wieder sehen und dann auch wieder zusammen tanzen. Es hatte ihm doch auch so viel Spaß bereitet, sie kann es nicht verstehen, oder hatte sie sich getäuscht?
Ist das Teil eines Spieles? soll sie auf diese Weise nicht auf den Gedanken kommen dass er auch an sie gedacht hat?
Er hatte ihr doch auch schon beim ersten Mal zugelächelt und sie war fast aufgesprungen. Das Herz hatte angefangen zu rasen, doch dann hatte er die Hand in eine andere Richtung ausgestreckt und die Frau mit den Netzstrümpfen aufgefordert.
Ein Knoten setzt sich fest in ihrer Kehle. Sie versucht es nicht so an sich heran zu lassen. Sie will ihre Gedanken woanders hin leiten, schaut sich die tanzenden Paare an, die an ihr vorbei rauschen. Sie sieht glückliche, träumende, konzentrierte Gesichter.
Dann wird sie aufgefordert und ist erst mal froh nicht länger sitzen zu müssen. Über die Schulter ihres Tanzpartners hinweg sieht sie ihn am anderen Ende des Saales, in seinen Armen jetzt diese blonde Frau, die mit geschlossen Augen eng an ihn geschmiegt sichtbar genießt.
Sie wird mitgerissen von ihrem Tanzpartner, ein guter Tänzer. Er schafft es, sie für sich zu gewinnen, sie schließt ihre Augen, sie will nicht immer wieder nach Ihm Ausschau halten... Sie fühlt sich sogar wieder leicht und schwebend. Es wird eine lange Runde, es macht Spaß.
Er hat sich inzwischen an die Seite gesetzt und schaut jetzt den tanzenden Paaren zu. Sie spürt seinen Blick in ihrem Rücken, als sie an seinem Platz vorbei tanzen. Sie ist ganz ihrem Tanzpartner zugewandt. Nun ist sie gelöster, entspannter.
Ganz außer Atem, glühend und strahlend, wie eine Blüte, die gerade aufgegangen ist, setzt sie sich an ihren Platz und fächert sich Luft zu. Die Welt scheint wieder in Ordnung zu sein, ihre Füße tippen leicht im Rhythmus der Milonga auf den Boden.
Die Paare auf der Tanzfläche sind fröhlich, lachende Gesichter, stampfende Füße fliegen an ihr vorbei. Dann ist auch diese Milonga zu Ende und Einige suchen erschöpft und in bester Laune ihre Plätze auf, um sich von dem wilden Tanz etwas zu erholen.
Es ertönt nun eine einsame Geige durch den Lautsprecher. Erst steigen die Töne schwungvoll nach oben, tanzen ein paar Mal um sich selber herum und stürzen dann nach unten um die nun folgenden schwermütigen Klänge des Bandoneon in Empfang zu nehmen.
Plötzlich taucht er vor ihr auf und geht zielstrebig auf sie zu. Sein Blick ist gerade auf sie gerichtet und er streckt schon beim Gehen seine Hand in ihre Richtung. Sie zögert einen Moment, als wolle sie diesen Augenblick noch ein Weilchen genießen. Sie gehen aufeinander zu und ohne inne zu halten umfangen sich ihre Körper in den ersten Schritt, hinein in diesem Garten, der sie nun voller betörenden Düften und süßen Klängen umfängt... Wann der Traum zu Ende war weiß sie nicht mehr, auch nicht, wie sie dann später nach Hause gelangt war. Es war alles verblasst. Ihr blieb nur der Hauch eines Duftes und eine leise Ahnung...